Dr. Harald Weiß: Der rhetorische Faktor in Unforgiven von Clint Eastwood (1992)
26. Januar 2018, 18 Uhr im Kino Arsenal
Die Guten, die Bösen, die Hässlichen, die glorreichen Halunken, die reitenden Heroen, die mysteriösen Desperados, die coolen Cowboys, Sheriffs und Ganoven, die für eine Handvoll Dollar todesmutig
ihre Colts zum Rauchen bringen… Kaum ein Filmgenre folgt mit dem immer gleichen Figurenensemble solchermaßen problemlos berechenbaren Erzählmustern wie der klassische Western. John Wayne mag Kult sein, aber er liegt schon lange mit allen Ehren begraben im Boden von Corona del Mare. Die mit seinem Namen verbundenen einstigen Kinokassenschlager mögen ihren Charme bewahrt haben, dieser zeigt sich uns heute jedoch in nahezu rein musealem Glanz. Als in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in der westlichen Welt das postheroische Zeitalter anbrach, verlor der Western alter Machart an gesellschaftlicher Bedeutung. Dieser Umstand zeitigte jedoch nicht den Untergang jener filmischen Gattung, sondern bedingte das phönixmäßige Entstehen einer neuen Ausprägung, welche die hergebrachten Narrative, Mythen und Ideologien des Archetypus kritisch und reflexiv verarbeitet. Als Musterbeispiel dessen darf Clint Eastwoods oscarprämiertes Meisterwerk „Unforgiven“ gelten. Erbarmungslos problematisiert der Altmeister des Pistolenfilms in jenem Cowboyepos die Dialektik von Verbrechen und Strafe vor dem Horizont des Gerechtigkeitsdiskurses. Das Verhältnis von Schuld und Sühne hat hier seine Eindimensionalität verloren. Keine strahlenden Revolverhelden, sondern gebrochene Pistoleros, über welchen die Geier des nagenden Zweifels kreisen. Wüster Nihilismus also? Keineswegs! Im Zwielicht postmoderner Ambivalenz schimmert eben doch eine gewisse schillernde Sinnhaftigkeit. Ob sich in deren Sphäre klar intendierte Botschaften entfalten, ob jenem Werk also rhetorische Wirkmacht eignet, wird nach der Vorführung des Films der Medienwissenschaftler und Filmemacher Dr. Harald Weiß erläutern. Im Anschluss an seinen Kurzvortrag darf auch seitens des Publikums lebhaft diskutiert werden.
Über die Veranstaltungsreihe
Filme verwandeln uns, wirken inspirierend, stilbildend, geradezu identitätsstiftend. Gelegentlich wird das Kino sogar zur Lehranstalt, verändert unseren Blickwinkel so sehr, dass wir die Welt und ihre Bewohner fortan mit anderen Augen sehen – und erzeugt in so manchem Fall auch Kontroversen: Fördern Horrorfilme und Actionkino nun die Neigung zur Brutalität oder nicht? Wie immer man in solchen Fragen auch entscheiden mag, eines ist sicher: Gut gemachte Filme können uns von diesem oder jenem überzeugen. Im Rahmen der Reihe Rhetorik & Film, die das rhetorikforum in Zusammenarbeit mit dem Kino Arsenal organisiert, werden sowohl Klassiker als auch zeitgenössische Spiel- und Dokumentarfilme gezeigt und hinsichtlich ihrer Überzeugungskraft analysiert. Im Anschluss an die Vorführung jedes Films wird sich ein Experte aus Wissenschaft oder Praxis in einem kurzen Vortrag sowie in Diskussion mit dem Publikum mit der Frage befassen, was diesem Film rhetorische Wirkungsmacht verleiht – und wovon er uns überzeugen will.