Seniorprofessor Dr. Joachim Knape: Der rhetorische Faktor in „Ship of Fools“ (1965)
17. Oktober 2018, 18 Uhr im Kino Arsenal
Wir alle sitzen im selben Boot. Wir alle sind Narren. Unsere Bühne ist die Welt. Unsere Spielchen spielen wir vor den
Kulissen unseres Alltags. Den Spielplan
diktiert der Zeitgeist. Wehe dem, der unsere Regeln nicht kennt! Wehe dem, der nicht mit uns spielen will! Doch wohin führt uns jener Spieltrieb? Ins Elysium oder in den Abgrund? Das Schicksal mag seine Schatten vorauswerfen, uns Narren jedoch scheint der Ausgang, das Ende weit offen, so offen wie die tiefe, blaue See. Auf dieser nun schwimmt ein großes, graues Schiff. Es kommt aus Veracruz in Mexiko und sein Ziel ist Bremerhaven in Deutschland. An Bord gastiert ein Sammelsurium an Passagieren: Menschen, über zwei Decks verteilt, diskriminiert nach sozialer Klasse, zu Tisch separiert nach Physis, Ethnie und Herkunft. Doch die Enge des Raumes birgt kaum Schlupfwinkel. Man kommt sich unweigerlich ganz nah, bisweilen näher, als man möchte. Und jene Nähe stiftet Unruhe, Verwirrung und Klarheit. Komische und tragische Wendungen erzeugen ein kleines, wildes Welttheater. Das alles könnte durchaus Stoff für eine Posse sein, würde das Schiff nicht auf eine Küste zutreiben, an welcher so mancher Reisende keinen sicheren Hafen erwarten darf – denn wir befinden uns im düsteren Jahre 1933. Stanley Kramers „Ship of Fools“ basiert auf Katherine Anne Portersgleichnamigem Erfolgsroman. Dessen Plot steht in der Tradition des legendären „Narrenschiffs“ von Sebastian Brant. Als renommierter Experte für das Werk jenes Humanisten gilt der Tübinger Rhetorikprofessor Joachim Knape. Dieser wird sich nach der Vorführung des Films der Frage widmen, inwiefern Kramers Kinoklassiker rhetorische Wirkmacht eignet. Im Anschluss an jenen Kurzvortrag darf auch seitens des Publikums lebhaft diskutiert werden.
Rhetorik & Film – das Rhetorikforum in Kooperation mit dem Kino Arsenal
Filme verwandeln uns bisweilen, wirken auf uns mitunter inspirierend, stilbildend und geradezu identitätsstiftend. Manche von ihnen verändern unseren Blickwinkel so sehr, dass wir die Welt und ihre Bewohner fortan mit anderen Augen sehen. Gelegentlich wird das Kino sogar zur Lehranstalt: Etwa wenn uns ein aufrüttelnder Dokumentarfilm zu bewussterem Handeln verleitet oder wenn ein mitreißender Spielfilm uns neue Horizonte des Daseins aufzeigt und erstreben lässt. In manchen Fällen erzeugt filmische Wirkmacht auch Kontroversen: Fördern Horrorfilme und Actionkino nicht per Glorifizierung von Gewalt die Neigung zur Brutalität? Wie immer man in solchen Fragen auch entscheiden mag, eines ist sicher: Gut gemachte Filme können uns von diesem oder jenem überzeugen, vermögen uns für Ansichten und Aussagen zu gewinnen. Dieses Potenzial darf man die rhetorische Dimension des Films nennen. In der Reihe „Rhetorik und Film“ werden sowohl ausgesuchte Klassiker als auch diverse zeitgenössische Filme gezeigt und hinsichtlich ihrer Botschaften analysiert. Ein Experte aus Wissenschaft oder Praxis wird im Anschluss an jede Vorführung erläutern, was den jeweiligen Film rhetorisch macht und wozu er uns verleiten möchte.